Der Ostexperte berichtet, dass die Wahl Selenskys vor allem eine Abwahl Poroschenkos gewesen sei.  In fünf Jahren Amtszeit konnte der amtierende Präsident das Leben der Ukrainer nicht verbessern. Die Ukraine ist nach Angaben des IWF das ärmste Land Europas. Als Milliardär steht Poroschenko für das Establishment und die verhasste, als korrupt geltende Elite.

Die Ukrainer setzen nun auf ein politisch unverbrauchtes Gesicht und auf Pragmatismus: Eine Verbesserung der Lebensumstände und ein Frieden im Osten schienen den Wählern wichtiger als die von Poroschenko propagierte Nato-Annäherung und nationalistische Parolen.

Pressemeinungen: „weiterer Schritt in Richtung rechtsstaatliche Demokratie“

Die ZEIT sieht in Selenskys Sieg einen „weiteren Schritt in Richtung rechtstaatliche Demokratie“. Sie lobte den Ablauf der Wahlen, die Anerkennung des Ergebnisses durch den Verlierer und die Besonnenheit der Ukrainer trotz der schwierigen Umstände.

Die Süddeutsche Zeitung, die unter erheblichem Leserschwund leidet, findet bei diesem Thema kurzfristig zu dem zurück, wofür die Presse früher – zumindest mehr oder weniger – stand: Sie nennt Selenskys Sieg den „Ausdruck eines kranken politischen Systems“. Die Medienlandschaft in der Ukraine befinde sich in den Händen von Oligarchen, denen Selensky seinen Sieg zu verdanken habe. Reformwillige, hoffnungsfrohe Kandidaten gebe es seit Jahren – nur bekomme von ihnen niemand etwas mit.

Im Vorfeld war viel spekuliert worden, inwieweit Selensky abhängig sei von dem umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomoisky, der dessen Wahlkampf finanzierte. Interessant ist, dass die SZ auf die Verbindung zwischen Selenskys und Kolomojskyj hinweist.

Selensky mit Kontakten zum Oligarchen Kolomojskyj. Wer ist der Strippenzieher?

Über Kolomojskyj wird in den westlichen Medien schon lange nicht mehr berichtet, obwohl er zu den wichtigsten Strippenziehern der Ukraine gehört. Der am 13. Februar 1963 geborene Ihor Walerijowytsch Kolomojskyj ist ein ukrainischer Oligarch. Er war bis Ende 2016 Hauptgesellschafter der verstaatlichten PrivatBank und von März 2014 bis März 2015 Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk.

Er gehört seit 2006 zu den reichsten Ukrainern. Sein geschätztes Vermögen lag 2011 bei 3 bis 6,5 Mrd. US-Dollar und sank bis 2019 auf rund 1,2 Mrd. US-Dollar. So weiß sogar Wikipedia zu berichten. Kolomojskyj besitzt neben der ukrainischen auch die israelische und zypriotische Staatsbürgerschaft, lebte 2000 bis 2014 vorwiegend in der Schweiz und inzwischen in Tel Aviv, Israel.

Kolomojskyj galt lange Zeit als ein Unterstützer der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko. Bei den Präsidentschaftswahlen 2010 unterstützte er allerdings ihren Wahlkampf nicht mehr.

Im Juni 2014 leiteten die russischen Strafverfolgungsbehörden gegen Kolomojskyj und den ukrainischen Innenminister Arsen Awakow ein Ermittlungsverfahren ein. Gegen Kolomojskyj wird unter anderem wegen organisierter Verbrechen ermittelt, er soll „rechtsextreme Todesschwadronen“ finanziert haben, wegen Mordes und des Einsatzes unerlaubter Waffen im Kriegsgebiet Donbass. Aus russischer Sicht gilt Kolomojskyj als Gefahr für den Friedensprozess in der Ostukraine. Anfang Juli 2014 erließ ein Moskauer Gericht einen Haftbefehl gegen Kolomojskyj.

Kolomojskyj leistet sich eine Privatarmee

Nachdem am 18. März 2015 das ukrainische Parlament Novellen verabschiedet hatte, die Kolomojskyjs Einfluss auf den größten ukrainischen Öl- und Gasförderer Ukrnafta beschnitten, ließ dieser die Zentralen der Unternehmen durch seine Privatarmee stürmen und besetzen. Kolomojskyj selbst war bei der Aktion anwesend und beschimpfte einen regierungstreuen Journalisten „in unflätiger Art und Weise“.

Innenminister Awakow stellte daraufhin ein Ultimatum, dass die Männer binnen 24 Stunden ihre Waffen niederzulegen und die Firmen zu verlassen hätten. Aus den Reihen der Kiewer Führung wurde Kolomojskyj daraufhin indirekt des Banditentums bezichtigt, indem ihm Morde, Folter und Schmuggel vorgeworfen wurden.

Kolomojskyj sperrte Poroschenkos Konten

Poroschenkos Konten in Kolomojskyjs Privatbank wurden vorübergehend gesperrt.
Das vom Parlament beschlossene Reformpaket für die staatliche Industrie gehörte zu den Reformen, die der IWF als Gegenleistung für benötigte Kredite forderte. Kolomojskyjs Unternehmen Privat Group hält 43% der Anteile und er konnte als Minderheitsaktionär bis dato durch Abwesenheit Beschlüsse blockieren.

Kolomojskyj erklärte, im Falle seiner Absetzung durch Poroschenko seine Privatarmee – das Bataillon Dnjepr – nach Dnipropetrowsk zu holen. Dennoch wurde er von Poroschenko abgesetzt. Der offiziellen Kiewer Sprachregelung zufolge trat er jedoch am 25. März 2015 nach einer Unterredung mit Poroschenko zurück.

Kolomojskyj will verlorenes Vermögen zurück

Kolomojskyj, ein mächtiger Oligarch verlor erhebliche Teile seines Vermögens. Mit der Präsidentschaftswahl dürfte er seine Chance gewittert haben, sich zurückzuholen, was er glaubt, das ihm gehört.

Hier kommt nun der Präsident in spe, Selensky, in Spiel. Kolomojskyj besitzt die Mehrheit am Fernsehkanal 1+1, bei dem Wolodymyr Selensky unter Vertrag steht. Selensky ist Mitbesitzer einer größeren TV-Produktions-Gesellschaft („Kwartal95“), die neben vielen anderen Produktionen auch eine beliebte Präsidenten-Serie produziert hat.

Der „Komiker“ Selensky  ist entgegen der ständigen Darstellungen, auch in der Ukraine, ein Mitglied der obersten Gesellschaftsschicht. Der Noch-Präsident und Schokoladenunternehmer Poroschenko ist eine Marionette des CIA. Bei Selensky und Kolomojskyj gibt es aktuell keine Hinweise auf Verflechtungen zum amerikanischen Deep State. Allerdings dürfte Selensky  das „Boot“ für Kolomojskyj’s Rückkehr in die Ukraine sein.

Bedeutung der Wahl im Verhältnis zu Russland

Welche Bedeutung Selenskys Sieg für das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland hat, ist vollkommen offen. Selensky spricht russisch und wirkte als Darsteller auch in vielen russischen Filmen mit. Er gilt als weniger nationalistisch als Poroschenko, dem man nachsagt, die russische Kultur im Land verdrängen zu wollen.

Viele im Ausland lebende Ukrainer hatten befürchtet, Selensky wolle sich nun Russland annähern. In der Endphase des Wahlkampfes hatte sich dieser als Verteidiger der Ukraine gegen Putins Russland inszeniert. Doch auch Selensky positionierte sich klar gegen den Kreml. Kurz vor der Stichwahl nannte er Russlands Präsidenten „selbstverständlich“ einen „Feind“ und schloss einen Sonderstatus für die Kriegsgebiete in der Ostukraine aus. Nach seinem Sieg wolle er laut FAZ „eine starke, mächtige, freie Ukraine aufbauen, die nicht die jüngere Schwester Russlands ist, die nicht ein korrupter Partner Europas ist, sondern unsere unabhängige Ukraine.“

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew verkündete, nach dem Wahlsieg von Selensky bestehe „eine Chance, die Zusammenarbeit mit unserem Land zu verbessern“. Der russische Präsident Putin schwieg bislang zu dem Thema. Gleichzeitig hat Moskau neue Handelsbeschränkungen gegen die Ukraine eingeführt. Es gilt ein Verbot für den Export von Erdöl und einer Reihe von Erdölerzeugnissen in die Ukraine. Ebenso ist die Ausfuhr von Kohleprodukten, Benzin, Dieselkraftstoff sowie Flüssiggasen wie Ethan, Butan und Isobutan ab dem 1. Juni nur noch mit Sondergenehmigungen möglich.

Auf der schwarzen Liste stehen ebenfalls Syntheseprodukte wie Ethylen, Propylen, Butylen und Butadien sowie im Straßenbau verwendete Produkte wie Petrolkoks und Bitumen. Es gilt zudem ein Importverbot für ukrainische Waren aus den Bereichen Maschinenbau, Leichtindustrie und Metallverarbeitung. Die Sanktionen betreffen Waren im Gesamtwert von 4,3 Mrd. Dollar bzw. 30% des Handelsvolumens im Jahr 2018, so Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin.

Fazit

Die EU hält sich auffallend zurück. Man hat wohl keine große Lust mehr, sich die Ukraine ans Bein zu binden und dort weitere endlose Milliarden zu verteilen. Die Ukraine ist zu schwer angeschlagen. Kein Mensch in der EU interessiert sich für Produkte aus dem Land.

Die Ukraine wird, egal wer den Präsidenten mimt, so oder so in den Schoß Russlands zurückfallen. Moskau braucht nichts anderes zu tun, als zu warten.


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